Denken kann krank machen:
Ich möchte Sie gerne mit dem bösen Bruder des Placebo-Effekts, dem Nocebo-Effekt bekannt machen. Nocebo bedeutet, ich werde dir schaden. Wenn man auf der internationalen Suchmaschine für wissenschaftliche Forschung, Pubmed, nach Ergebnissen zur Nocebo-Forschungen sucht, findet man bei der Stichworteingabe aktuell gerade mal 926 Ergebnisse. Wenn man hingegen das Stichwort Placebo eingibt, erscheinen 243.329 Ergebnisse. Während der Placebo-Effekt gut erforscht ist, finden sich zum Thema Nocebo nur etwas über einhundert Forschungsstudien.
Beim Nocebo-Effekt bestärken negative Glaubenssätze das Ergebnis. Das bedeutet, dass zum Beispiel schon die Kommunikation des Arztes mit dem Patienten eine völlig neue Bedeutung bekommen würde, wenn die Wirkung von Worten auf den Nocebo-Effekt hinlänglich bekannt wäre.
Warum? Ein unbedachter Satz kann das Krankheitsbild eines Patienten verschlimmern, selbst wenn es der behandelnde Arzt gut mit ihm meint. Es ist bekannt, dass Menschen, die sich bei dem Beipackzettel eines Medikaments die Nebenwirkungen besonders intensiv durchlesen, auch häufiger an diesen Nebenwirkungen leiden. Das ist paradox, denn damit wird der Beipackzettel zum Gesundheitsrisiko.
In einer Metastudie konnte die italienische Psychologin Martina Amanzino nachweisen, dass der Nocebo-Effekt bezogen auf die Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Migräne, sowohl bei den Präparaten als auch bei den Placebo-Tabletten, nahezu identisch war. Auch bei optimistischen Infarktpatienten ist die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Herzinfarkts geringer als bei den Pessimisten unter ihnen.
Unser Körper setzt Stress in Schmerz und Schmerz in Angst um, die wiederum den Schmerz verstärkt. Ein Teufelskreis. Die Schmerzempfindung wird durch chemische Botenstoffe beeinflusst. Viele dieser Stoffe werden im Darm gebildet und aktivieren bei Schmerz das Angstempfinden. Während meiner Forschungen, habe ich mich eine Zeit mit Hypochondrie beschäftigt und festgestellt, dass Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, ein überdurchschnittliches Schmerzempfinden aufweisen. Sie reagieren bei den kleinsten Symptomen mit Schmerzempfinden und sind daher öfter geneigt, Schmerzmittel einzunehmen. Wenn sie allerdings über die Nebenwirkungen der Medikamente aufgeklärt werden, tendieren sie dazu, den Schmerz lieber auszuhalten. Der durch den Schmerz produzierte Stress wandelt sich in Angst und schwächt das Immunsystem. Die tragische Folge ist, dass Hypochonder tatsächlich häufiger krank werden. Das kann so weit gehen, dass das Immunsystem kollabiert und die Patienten an harmlosen Infektionen oder stressbedingten Herz-Kreislauferkrankungen sterben. Die eigenen Gedanken können tatsächlich töten. Besonders spektakulär sind die Fälle, die etwas mit magischen Kräften oder außersinnlichen Wahrnehmungen zu tun haben.
So ging der Fall von Vance Vanders aus Alabama in die Geschichte der Nocebo-Forschung ein. Im Jahre 1930 wurde er nach einem Streit von einem Vodoo-Priester verflucht. Er prophezeite ihm den Tod und schwenkte eine Flasche vor seinem Gesicht. Tatsächlich verschlechterte sich der Zustand von Vince in kurzer Zeit erheblich und seine Frau fuhr mit ihm ins nächstgelegene Krankenhaus. Bei der Untersuchung konnten die Ärzte keine Ursache für seinen Zustand feststellen. Erst als seine Frau von dem unheimlichen Fluch erzählte, reagierte eine der Ärzte und meinte, er kennen das Geheimnis des Zauberfluchs. Der Vodoo-Priester habe ihm das Ei einer Eidechse in den Magen gezaubert und er könne sie entfernen, so lautete seine Geschichte. Kurz darauf gab er Vince eine Injektion mit einem Brechmittel. Zuvor hatte er sich eine tote Eidechse organisiert und während sich Vince erbrach, mischte er die tote Eidechse unter das Erbrochene. Als der Arzt die tote Eidechse aus dem Erbrochenen zog, war der Zauber vorbei. Vance erholte sich schnell und konnte das Krankenhaus am gleichen Tag verlassen.
Selbst fast gelungene Suizidversuche mit Placebo-Präparaten sind bekannt. So lag der 26 Jahre alte Student, Derek Adams, in der Notfallaufnahme. Nach einem Streit mit seiner Freundin hatte Derek seine Monatsration an Antidepressiva auf einmal geschluckt. Er nahm an einer Studie für ein neues Medikament teil und weder er noch die Ätzte der Notaufnahme wussten, dass er Placebo-Kapseln eingenommen hatte. Als die Ärzte die Verpackung des Medikaments sahen, erkundigten sie sich nach dem Studienverlauf. Als klar war, dass Derek die Placebo-Tablette eingenommen hatte, wurde er darüber informiert. Daraufhin verbesserte sich sein Zustand rapide und er wurde nach einer halben Stunde gesund entlassen.
Um den Nocebo-Effekt zu entgehen ist es wichtig, seine Aufmerksamkeitsrichtung zu überprüfen. Ich habe eine einfache Intervention gegen den Nocebo Effekt. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf positive Ereignisse. Ich weiß, das ist schwierig, besonders in Zeiten wie diesen. Unser Gehirn ist für negative Informationen leichter zu begeistern, wie für positive, aber wir können es durch Fokussierung und Kontinuität ein Stück weit neu konditionieren.
Der legendäre Clown, Charlie Rivel hat einen wunderbaren Satz zu diesem Thema geprägt. Er sagte: „Der Optimist hat nicht weniger Recht als der Pessimist, aber er lebt zufriedener.