Januar 18, 2023

Was ist Burnout wirklich?

Burnout ist meiner Meinung nach eine Auswirkung von Loyalitätsstress.

Was meine ich damit?

Bei der überwiegenden Anzahl meiner Klienten ist es ein Loyalitätskonflikt, der sie im Dauerstress hält. Dieser Konflikt beruht sehr häufig auf dem Glaubenssatz, nur dann wertvoll zu sein, wenn man es allen recht macht. Wenn man aber in jedem Lebensbereich, egal ob als Elternteil, Partner*in, Mitarbeiter*in oder Freund*in versucht perfekt zu sein dann arbeitet man gegen sich selbst.

Warum?

Weil die psychische Nahrung auf einen externen Stimulus, also Anerkennung durch Andere, fokussiert ist. Wer mit sich selbst nicht zufrieden ist, der wird niemals zur Ruhe kommen. Für jemanden anderen wirst Du nie perfekt sein. Demnach ist die Frage, die Sie sich stellen sollten ist: „Was stellt meinen eigenen Wert dar?“ Diese Frage ist für die meisten Menschen nur sehr schwer zu beantworten.

Belohnt werden in der Regel Anpassungsleistungen, also Forderungen der Umwelt oder Forderungen, die man sich auf Grund eigener Glaubenssätze selbst verordnet. In der Kindheit werden viele dieser Anforderungen an uns gestellt und aus diesen werden gerne auch Glaubenssätze, die wir in unsere Erwachsenenwelt mitnehmen. Die Vergangenheit funkt andauernd in die Gegenwart und sagt uns was zu tun ist. Wir hinterfragen das aber nicht kritisch, weil wir es gar nicht hören. Es läuft automatisch bzw. unbewusst ab. 

Was Menschen fehlt, die sich ständig selbst in Stresszustände versetzen, ist die Fähigkeit diese unbewussten Anweisungen wahrzunehmen, kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Daher bleiben viele in der Opferrolle, statt selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Denn das Bewusstsein, nicht Opfer der Umstände zu sein, sondern die Umstände selbst zu erzeugen, ist oft nicht vorhanden.

Ein untrügliches Zeichen für fehlende Eigenermächtigung ist, wenn Menschen sich eine Katastrophe herbeiwünschen, die das eigene stark Leben verändert.

Besonders dramatisch ist es, wenn das hohe Anspruchsverhalten in Beziehungen ausgelebt wird. Wenn beide Partner einen hohen Anspruch an sich selbst haben, werden Beziehungen toxisch, sie vergiften sich selbst. Wenn der eine nicht mit sich selbst zufrieden ist und daher immer im Selbstzweifel lebt, wird er, um diesen zu kompensieren, beim Partner immer die eigenen Defizite reflektieren. Er wird ihn für das kritisieren, was er selbst nicht kann.

Gleichzeitig spiegeln die Partner die meist unmenschlich hohen Anforderungen wieder, die sie selbst in ihrer Vergangenheit erfahren haben. Wenn eine Partnerschaft, Beziehung oder Ehe damit konfrontiert wird, beginnt ein Teufelskreis, der kaum noch aufzulösen ist. Nur das Bewusstsein, den Anderen in seinem Anderssein anzunehmen, kann eine Beziehung gelingen lassen. Wenn hingegen beide versuchen, es dem Anderen permanent Recht zu machen, wird das gegenseitige Anspruchsdenken zu einer permanenten Leistungsschau und gleichzeitig zur chronischen Frustration.

Ich kann mich noch gut an einen Klienten erinnern, der sich seine fristlose Kündigung wünschte, damit er ein neues Leben beginnen konnte.

Er hatte einen hoch dotierten Job in einem Konzern und war für die Geschäftsentwicklung in Asien zuständig. Das halbe Jahr war er auf Reisen, während seine Frau mit beiden Kindern in einem luxuriösen Haus ein, wie er es beschrieb, Parallelleben führte. Er nahm seit einem Jahr antidepressive Medikamente, die ihm sein Hausarzt verschrieben hatte. Um schlafen zu können, benötigte er ebenfalls Medikamente und eine Flasche Wein, die er jeden Abend trank.

Besonders auf Reisen hatte er immer wieder Suizidgedanken und sich schon ein paarmal gewünscht, sein Flugzeug möge abstürzen. Er fühlte sich von seiner Frau ausgenutzt, da er aus seiner Sicht immer alles tat, was der Familie ein gutes Leben ermöglichte und sie ihn ständig kritisierte. Seine Aussage: „Ich kann tun was ich will, es ist nie genug“ beinhaltete sehr präzise den eigentlichen Grund für sein Unglück. Auf die Frage, wer denn die Umstände und Anforderungen für sein Leben definiert, überlegte er nicht lange. Es waren sein Vorgesetzter und seine Frau.

Es dauerte eine Weile, bevor er akzeptierte, dass nur er selbst sich aus dieser Opferrolle befreien kann und das auch nur, wenn er bereit ist, die Konsequenzen zu tragen. Es dauerte ein halbes Jahr, bis er die Entscheidung traf, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Er führte sozusagen die Katastrophe selbst herbei, nur hatte das den Vorteil, dass er sie planen konnte und sich der Auswirkungen bewusst war. Er sprach mit seiner Frau über eine Paartherapie und seinem Entschluss, sein Leben von Grund auf zu verändern. Zu seiner Überraschung sagte seine Frau, dass sie ihm den Vorschlag schon lange machen wollte, sie aber Angst hatte, ihn noch mehr zu überlasten. Gleichzeitig sprach er mit seinem Chef, um ihm mitzuteilen, dass er für diesen Job nicht mehr zur Verfügung steht. Er kündigte seinen Job und machte sich als Berater selbstständig.

Sein erster Kunde war sein ehemaliger Chef, der ihm einen großen Auftrag gab. Auf die Frage nach dem Grund für den Entschluss die Sicherheit des Arbeitsplatzes aufzugeben und das Risiko der Selbstständigkeit einzugehen, antwortete er, dass er verstanden habe, dass nichts sicher sei. Außerdem wollte er endlich die Freiheit haben, sich seine Zeit selbst einzuteilen und diese seinen Bedürfnissen anzupassen. Er fühlte sich Geborgen in der Sicherheit, das nichts sicher ist, außer die Unsicherheit. Mit diesem Satz beendete er sein Statement und ich spürte seine tiefe Zufriedenheit, mit dem Leben, das er jetzt führte.

Das Leben ist keine Generalprobe und jeder Mensch hat das Geburtsrecht, sein Leben so zu gestalten, dass es ihn glücklich macht. Jemand der auf eine Katastrophe wartet, die sein Leben verändert, wartet nur auf die Erlaubnis, sein Leben nach den eigenen Maßstäben leben zu dürfen. Und diese Erlaubnis kann sich jeder nur selbst geben.

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